24.02.2023 | AG Frieden

Wie Frieden schaffen ohne Waffen

IM SPIEGEL DER FEIND
DEM ICH ÄHNLICHER WERDE –
PLAN B: DIE LIEBE

Richard Pestemer, Vorstandsmitglied der AGF, erzählt seine Eindrücke und Gefühle zur Lichteraktion am vergangenen Freitag, 24.02.23

Es ist wieder lausig kalt geworden an diesem denkwürdigen Jahrestag des Ukrainekrieges. Dennoch sind die Gemüter erhitzt vor dem Domfreihof, wo von einigen Hunderte Menschen, in der Mehrzahl Ukrainer*innen zahlreiche blau-gelbe Fahnen eindeutig die Szenerie beherrschen. Vor einem Jahr indes sah das noch vollkommen anders aus, da demonstrierten wir alle noch gemeinsam, die Trier*innen, die ukrainische Community, ja auch einige Kriegsgegner*innen aus Russland und Belarus gemeinsam für „Stop The War“, schwenkten die ukrainischen und die Friedensfahnen mit Pace oder der Taube dem Himmel entgegen.

Und ein Jahr später wird gefordert;  „Mehr Waffen, schwere Waffen“ für die Ukraine. Warum? Damit Russland besiegt werden kann! Irrlichternd hält offensichtlich jemand von den Grünen ein Plakat mit der Aufschrift „Stop the War“ in der einbrechenden Dämmerung empor.

Und knapp 100 Meter entfernt, in Distanz dazu, versammeln sich einige wenige Friedensverzweifelte um flackernde Peace-Kerzenlichter, die immer wieder drohen vom kalten Wind ausgeblasen zu werden: Verteilen den aufrüttelnden aktuellen Appell der Bürgermeister von Hiroshima und Nagasaki,  in dem es heißt: „Die von Russland unmittelbar nach der Invasion vorgebrachte und seitdem häufig wiederholte Drohung, Atomwaffen zum Einsatz zu bringen. Ließ die Welt erschauern und konfrontieren die Menschen mit einer bitteren Wahrheit der akuten Wahrscheinlichkeit eines Atomkrieges“.

Die Bürgermeister Kazumi MATSUI (Hiroshima) und Tomihisa TAUE (Nagasaki) appellieren daher eindringlich an alle Menschen guten Willens:

Nuklerwaffen dürfen niemals zum Einsatz kommen.

Die einzige Garantie zum Schutz der Menschheit und des Planeten vor der Bedrohung durch Nuklearwaffen ist die vollständige Abschaffung dieser Waffen

Sie, die beiden Bürgermeister betonen daher in diesem Appell: „Wir stehen solidarisch zusammen, um eine Eskalation der momentanen Lage bis hin zum Atomkrieg zu verhindern, und fordern ein rasches Ende des qualvollen Ukrainekriegs durch konstruktiven Dialog zum Aufbau gegenseitigen Vertrauens.“

Ja, vollkommen richtig, sag ich mir an diesem Tage, pack mir eine Handvoll dieser zu Papier gebrachten Appelle und verteile selbige auf der von der Ukraine-Community dominierten Versammlung vor dem Domplatz. Und komme mit dem Einen oder Anderen sogar ins Gespräch, wobei keineR es ablehnt diesen Appell entgegenzunehmen.

Gleichzeitig werden Erinnerungen in mir wach an meine mehrmaligen Besuche in Hiroshima, wo Überlebende mir erzählten, wie sie durch meist sehr glückliche Umstände, vergraben unter schützenden Trümmern, geborgen in einer Straßenbahnen nicht sofort von den Hitzenwellen nach dem Atombombenabwurf der „Little Boy“ zerschmolzen wurden. Erzählungen, die haften bleiben, unauslöschlich. Ach nein, das ist ja alles nur Bluff von Putin, ja, selbst wenn es zum Einsatz taktischer Nuklearwaffen kommen sollte, die Ukrainer*innen geben niemals auf, kämpfen weiter bis zum Sieg. Das verkünden in hiesigen Talkshows hochrangige SicherheitsexpertInnen. Als Counterpart davon schwadronieren Putins Propagandisten lauthals davon auf wie wirkungsvoll es wäre diese Metropolen wie London und Berlin nuklear auszulöschen.

Der Traum von Gorbatschow ein gemeinsames europäisch-russisches Haus aufzubauen, in dem jedeR in Frieden leben kann,  droht sich zu einem nuklearen Albtraum zu entwickeln, entwickelt, da selbst die „nukleare Abrüstung“ zu versagen droht, ja schon versagt hat.

Wie, das treibt uns doch alle um, wie angesichts dieser Entwicklungen überhaupt noch einen konstruktiven Dialog hinbekommen? Müssen wir nicht erst einmal komplett aus der Eskalationslogik aussteigen, müssen wir nicht auf allen Ebenen uns dazu bereit machen, den Krieg unter uns Menschen und gegen die geschundene Natur einzustellen, aus freie Einsicht  in eine rationale Notwendigkeit? Abrüsten auf allen Ebenen!

Und dann stell ich mir indes an diesem denkwürdigen Jahrestag es Ukrainekriegs immer wieder die Frage, wie können wir denn erreichen, da wo wir leben, ein Stück weiter aus dieser perversen Logik auszusteigen?  Es muss doch Menschen aus der Ukraine, aus Russland geben, die bereit sind zu einem Dialog im kleinen Kreise erst einmal, die für sich und uns eingebunden klarstellen: „Wir machen da nicht mehr mit!“

Zudem verweisen die Bürgermeister aus Hiroshima und Nagasaki darauf, dass „mit unseren 8.200 Mitgliedstädten (darunter auch Trier und ukrainische und russische Städte!) und deren Bürger*innen in 166 Ländern und Regionen rund um den Globus wir MAYORS FOR PEACE keine Mühen scheuen, um die politischen Entscheidungsträger*innen in allen Teilen der Erde in ihrem mutigen Handeln zur Schaffung einer friedlichen, atomwaffenfreien Welt zu unterstützen.“

Richtig, vollkommen richtig. Und das gibt einem wieder Mut und Kraft, zumal einige Passanten, die unsere Peace-Lichter-Aktion willkommen hießen mit der Aufmunterung. „Gut, dass Euch auch noch gibt!“ Habe also den Appell der Bürgermeister aus Hiroshima und Nagasaki als EX-Ortsbürgermeister der Hunsrückgemeinde Neunkirchen im Hunsrück – Mitglied in der Allianz „Mayor for Peace – meinem Trierer Kollegen Wolfram Leibe, Oberbürgermeister der Mosel-Metropole Trier verbunden mit der Bitte, dass der Stadtrat in geeigneter Form diesen Appell unterstützt per Mail,  zugeschickt.

Richard (Richie) Pestemer, Mitglied im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Frieden Trier e.V.