01.02.2020

Kleiner Friedenskonvent zur Irankrise im FUZ

Kleiner Friedenskonvent zur Irankrise im FUZ

Ich frage mich: Ist „kleiner Friedens-konvent“ eine passende Bezeichnung? Entscheiden Sie selbst!

Die Vorgeschichte: Am 3. Januar 2020 töten US-amerikanische Drohnen auf persönliche Anordnung von Präsident Trump in der irakischen Hauptstadt Bagdad General Qasem Soleimani, einen der wichtigsten Strategen des iranischen Mullahrregimes. Am Tag darauf schlagen iranische Raketen auf irakischen Militärstützpunkten ein, die auch von US-Soldaten genutzt werden. Droht wieder ein Krieg im Mittleren Osten? Wie sollen wir uns als Trierer Arbeitsgemeinschaft Frieden dazu verhalten, wenn wir global denken, aber lokal handeln wollen? Wäre ein kleiner Friedenskonvent, eine Zusammenkunft von Menschen aus den USA, dem Iran und dem Irak möglich, die sich über ihre Sicht der Krise, ihre Sorgen, ihre Wut und ihrem Gefühl der Ohnmacht austauschen würden.

Tatsächlich hat dieses Treffen am 19. Januar im Friedens- und Umweltzentrum stattgefunden! Anwesend waren Ann Ismail und Ali Al-Saadawi (beide aus dem Irak) sowie Mehdi Naderpur (aus dem Iran, Name geändert). Die beiden US-Amerikaner, die ich eingeladen hatte, hatten aus persönlichen Gründen kurzfristig absagen müssen. Aus dem Umfeld der AGF führten Lena Kast, Politologin und Vorstandsmitglied der AGF, die Supervisorin Clarissa Schmithüsen und ich das Gespräch.

Zwei Stunden lang dauerte das sehr persönliche, sehr vertrauensvolle und hoch informative Gespräch. Was wir aus den Nachrichten kennen, erhielt hier eine andere Tiefendimension – politisch und persönlich: Ann Ismail, die aus den irakischen Kurdengebieten stammt, berichtete von der Angst um ihre Mutter und Verwandten. Sie wohnen in der Stadt Erbil, die am 7. Januar von iranischen Raketen beschossen wurde. Ann erzählte von ihrem 7jährigen Sohn, der sie gefragt habe: „Mama, warum ist hier Krieg?“ Dieselbe Frage habe sie als Kind schon ihrem Vater gestellt. Die Menschen im Irak seien es so leid, im Krieg und Chaos zu leben. „Die normalen Leute wollen ihre Ruhe haben und nur in Frieden leben!“ Viele Iraker:innen wünschten sich sogar den früheren, von den USA gestürzten Machthaber Saddam Hussein zurück. Das, obwohl auf seinen Befehl hin 1988 bis zu fünftausend Menschen in Halabscha mit Giftgas umgebracht worden waren, das von Deutschland geliefert wurde.

Sehr bewegend waren die persönlichen Schilderungen an diesem Nachmittag: Ann erzählt, ihre Familie sei von Soldaten Saddams bombardiert, sie selbst sei mit ihrem Vater bei der Flucht in die Türkei von Hubschraubern beschossen worden. Zwanzig Familienangehörige seien unter Saddam getötet worden, vier in der Familie ihres Mannes. Ali Al-Saadawi hat Bruder und Onkel unter Saddam verloren. Hussain Naderpur berichtet von einem Freund im Iran, der einen Monat lang im Gefängnis festgehalten wurde und danach „zerstört“ ins Leben zurückgekehrt sei. Mir wurde klar: Was die AGF in Rundgängen zur Trierer NS-Geschichte in der Vergangenheitsform erzählt, ist für Menschen mit Wurzeln in dieser Region Gegenwart!

In der Bewertung der Kriseneskalation waren sich die kurdischen, arabischen und persischen Teilnehmer:innern einig: Die USA hätten General Soleimani, ihren einstigen Verbündeten im Kampf gegen den Islamischen Staat, getötet, um das iranische Regime bei der Ausweitung ihres Einflusses auf den Irak, den Libanon, Jemen und die palästinensischen Gebiete zu stoppen. Es sollte verhindert werden, dass mit dem Iran eine evtl. sogar mit Atomraketen bewaffnete Mittelmacht in dieser Region entstehe, die die amerikanischen und israelischen Interessen konterkariere. Dabei ginge es um militärische, strategische und wirtschaftliche (Öl) Zusammenhänge. Die Tötung des im Iran prominenten Generals habe die dortige Oppositionsbewegung geschwächt, da sich die Bevölkerung bei aller Kritik an den Mullahs nun angesichts einer nationalen Demütigung hinter das Regime stelle. Im Irak habe die US-Regierung eine völlig unfähige und korrupte Regierung eingesetzt, gegen die eine breite Protestbewegung entstanden sei. Die deutschen Leitmedien informierten einseitig und meist aus der Sicht der US-Regierung bzw. der israelischen Regierung über die Vorgänge im „Nahen und Mittleren Osten“. So entstünde das Bild einer in sich vielfach verfeindeten und politisch wie religiös zerklüfteten Region. Dass die US-amerikanische und britische Regierung dabei seit Jahrzehnten eine Politik des „Teile und herrsche“ betrieben, bliebe fast immer unerwähnt.

Was also könnten wir in Trier tun? Mehdi Naderpur möchte sich nicht an öffentlichen Aktionen beteiligen, aus Angst vor Repressionen gegen seine Familie im Iran. Ali al-Saadawi ist skeptisch: „Man kann nichts tun!“. Ann Ismail meint: „Das braucht große Hände“, gemeint sind die Politiker. Ich berichte von den Aktionen der AGF in der Vergangenheit; Stellungnahmen als Mittel der Gegenöffentlichkeit, Demonstrationen mit mehreren tausend Teilnehmer:innen („Kein Blut für Öl!“) bis hin zur Unterstützung gewaltfreier direkter Aktionen wie dem Gulf Peace Team mit Trierer und AGF-Beteiligung, das beim zweiten Golfkrieg Einrichtungen im Irak durch ihre Anwesenheit schützen wollte.

Zum Schluss kam uns die Idee, dieses wertvolle Gespräch bei einem nächsten Anlass im Beisein von bundespolitisch aktiven Politiker:innen aus der Region Trier fortzusetzen. Wir werden uns darum bemühen!

Thomas Zuche