Am 22. Juni 2021 jährte sich der Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion zum achtzigsten Mal . 27 Millionen Bürgerinnen und Bürger der damaligen UdSSR wurden Opfer des deutschen Angriffs- und Vernichtungskrieges zwischen 1941 und 1945. Rund 2,5 Millionen Männer und Frauen wurden zur Zwangsarbeit ins damalige Reichsgebiet verschleppt. Millionen sowjetischer Kriegsgefangener sowie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter starben in deutschen Lagern. Auch in Trier erinnern Gräber auf dem Hauptfriedhof an diese Verbrechen. Die Arbeitsgemeinschaft Frieden (AGF) hatte daher zu einer Gedenkveranstaltung auf dem Hauptfriedhof Trier eingeladen, zu der rund 50 Menschen gekommen waren, darunter auch einige mit russischen Wurzeln.
Für die AGF begrüßte Ulrich Schwarz und wurde von Klaus Müller-Raschdau, Mitglied des Arbeitskreises „Abrüsten“ der AGF, ins Russische übersetzt. Dirk Löwe hieß die Anwesenden als Ortsvorsteher willkommen und begrüßte die Initiative der AGF: „Hier in Trier Nord auf dem Hauptfriedhof wird bei Führungen dieser Teil immer vergessen, deshalb freue ich mich, dass er jetzt im Fokus ist. Gerade in Zeiten, in denen Nationalismus wieder hoffähig wird, ist es wichtig, immer wieder die Erinnerungskultur zu pflegen um gegenzusteuern.“
Am Gräberfeld der russischen Soldaten und Zwangsarbeiterinnen sagte Friedhofsmeister Daniel Klasen: „Diese Gräber besitzen ein ewiges Ruherecht, denn sie sollen uns und zukünftige Generationen die Erinnerung an die Folgen von Krieg und Gewaltherrschaft aufrechterhalten und alle zum Frieden mahnen“. Und weiter: „Es handelt sich um Kriegsgefangene und Zivilpersonen, die im Trierer Land in Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft tätig waren und bis 1946 starben.“ Neben den einzelnen schlichten Grabsteinen für die Zwangsarbeiter steht ein altarähnliches Denkmal, es wurde 1950 von der sowjetischen Militärregierung geliefert und von der Stadt Trier aufgestellt. Klasen sind zwei Namen bei seinen Recherchen aufgefallen: Anna Grischenko, 23 Jahre, und ihr 4 Monate altes Kind Walli, er fragte: „Was wissen wir über ihr Schicksal, wie und unter welchen Umständen sind sie gestorben am 30. Dezember 1944?“
„Die deutsche Wehrmacht, SS und Polizeibataillone machten allein in Weißrussland mehr als 600 Dörfer dem Erdboden gleich. Das war kein Ergebnis einer aus dem Ruder gelaufenen Gewaltdynamik, von Exzessen, wie sie in entfesselten Kriegen immer wieder vorkommen, sondern einer von oben angeordneten Praxis. Im NS-Rassenkrieg wurde die slawische Bevölkerung terrorisiert, entvölkerte „tote Zonen“ geschaffen, Städte ausradiert, Kultur und Eliten vernichtet“, so beschrieb Thomas Zuche in seinem Redebeitrag den Vernichtungskriegs Nazideutschlands gegen die Sowjetunion. „Die politische und militärische Führung des damaligen Deutschlands hat diesen Krieg gewollt und er wurde von ganz normalen deutschen Männern mit Grausamkeit und Härte exekutiert. Möglich wurde das auch durch die Produktion von Feindbildern, die den Bürgerinnen und Bürgern der Sowjetunion jede menschliche Würde absprach.“
Zuche beschrieb, warum Erinnerung für die AGF wichtig bleibt: „Wir erinnern, damit wir uns des immensen Leids bewusst werden, das Hitler-Deutschland über Millionen von Menschen in der Sowjetunion und in ganz Europa gebracht hat. Als Konsequenz setzen wir uns für eine Politik ein, die auf Vertrauensbildung setzt, Abrüstungsschritte ermöglicht und auf die Errichtung eines Systems der gemeinsamen Sicherheit in und für Europa abzielt. Damit unsere gemeinsame Zukunft eine friedlichere wird!“
Nachdem Mechthild Grüger von der AGF das russische Trauer-Lied „Schurawli“ abspielen ließ und zu eine Schweigeminute eingeladen hatte, wurden Blumen abgelegt.
Zum Schluss beschrieb Klaus Müller-Raschdau von der AGF, wie er Russland auf seinen Reisen erlebt und dass ein Feindbild gezeichnet wird: „Bei allen Unterschieden in der Beurteilung der Politik Russlands sollte die Achtung vor der geschichtlichen Leistung des Sieges über den deutschen Faschismus, vor der Kultur, Literatur und Musik erhalten bleiben.“ Er beschrieb, wie er bei Reisen und Forschungsaufenthalten in Russland viel Güte, Wärme und Herzlichkeit der Menschen erlebt hat. „Ein undifferenziertes Feinbild erhöht die Bereitschaft Gewalt gegen Russland anzuwenden – wir brauchen stattdessen eine neue Entspannungspolitik und Abrüstung auf beiden Seiten.“
Weitere Informationen zum Thema:
Sowjetische Kriegsgefangene. Geschichte, Spenden, Forschung:
www.berliner-geschichtswerkstatt.de/zwangsarbeit/kriegsgefangene.htm
Von 5,7 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen starben 3,3 Millionen: Die Wehrmacht ließ sie gezielt verhungern; sie wurden ermordet oder starben an Krankheiten, Misshandlungen und bei der Zwangsarbeit. Die Überlebenden erhalten heute keinerlei Entschädigung. Der Verein Kontakte-Kontakty, Träger der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2002, startet jetzt einen Spendenaufruf, der die juristisch-politische Kampagne für eine Entschädigung der betagten, notleidenden Opfer begleitet. Die Berliner Geschichtswerkstatt unterstützt diesen Appell und stellt weitere Informationen zur Verfügung.
- Rede von Thomas Zuche -AG Frieden – zum Gedenken 22.6.2021
- Rede von Daniel Klasen – Friedhofsmeister – zum 80. Jahrestag des Überfalls auf Sowjetunion