29.04.2022 | AG Frieden

Friedensbewegung und Friedensforschung – was geht?

Ein Beitrag von Markus Pflüger zu Friedensbewegung und Friedensforschung bei der Friedenakademie RLP: Es geht um die Frage welche neuen Wege, Bündnisse, Methoden und Zugänge es gibt, um auch Jüngere wieder stärker zu aktivieren? Inzwischen steht das Thema Klimawandel (zurecht) an erster Stelle. Oft fehlen dabei friedenspolitische Zusammenhänge. Dabei wird der Klimawandel durch Kriege angeheizt, ein Teufelskreis… Große Herausforderungen für die Friedensbewegung sind neben kritischer Selbstreflektion, die Entwicklung wirkungsvoller Strategien, Kampagnen und Kooperationen – besonders mit der Friedensforschung. Kann sie als „militärkritischer und auf Abrüstung orientierter Partner“ wieder stärker hinzugezogen werden? Wie kann die Bewegung die Arbeit der Friedensforschung für ihr Engagement nutzen?“

Von Markus Pflüger (AGF Trier)

„Wie lange gibt es euren Friedensverein schon – 42 Jahre?“! Dass die AG Frieden (AGF)‘ mit ihren fast 300 Mitgliedern über so viele Jahre hinweg in Trier und der Region aktiv geblieben ist, lässt sich auf ihr breites Profil von Aktionen über Bildungs­angebote bis zu Netzwerkarbeit sowie die engagierte Vereinsstruktur zurückführen. Jährlich führen wir Zivilcourage-Trainings und Rundgänge gegen das Vergessen durch. Zuletzt nahmen wir an der Menschenkette gegen Atomwaffen in Büchel teil, organisierten einen Workshop zu ‚Rassismus im Fairen Handel‘ und beteiligten uns an Aktionen von Fridays for Future.

2015 war die AGF bei der Friedensakademie eingeladen, es ging um „Die Zukunft der Friedensarbeit in Rheinland-Pfalz“ [1]. Selbstkritische Themen wurden diskutiert:

  • Die Überalterung und Marginalisierung der Friedensbewegung,
  • Zivil­gesellschaft­liches Engagement in Zeiten von zunehmendem Leistungsdruck und Vereinzelung,
  • Neo­liberale Globalisierung und Zunahme von (Des-)Information,
  • Frieden ist nur eines von vielen Problemen, die Chancen Veränderung zu bewirken gering,
  • Es fehlt an Unter­stützung durch Politik, Wissenschaft und Medien.

Die Frage bleibt: Welche neuen Wege, Bündnisse, Methoden und Zugänge gibt es, um auch Jüngere wieder stärker zu aktivieren? Inzwischen steht das Thema Klimawandel (zurecht) an erster Stelle. Oft fehlen dabei friedenspolitische Zusammenhänge. Dabei wird der Klimawandel durch Kriege angeheizt, ein Teufelskreis [2] . Einige Kooperationen mit Klimaaktivist*innen ermutigen zwar, ein Grundproblem bleibt: Das Thema Frieden wird zu wenig wahrgenommen. Die stärkere Thematisierung der Funktion von Kriegseinsätzen für den Erhalt des zerstörerischen kapitalistischen und neokolonialen Wirtschaftssystems, ist ein Versuch Synergien zwischen Friedens- und Klimaaktivismus zu verstärken. Das funktioniert bisher weder in der Bewegung noch in der Politik. So fehlt eine abrüstungspolitische Konsequenz aus den Kriegen von Afghanistan bis Jemen. Stattdessen bekennt sich die Ampelkoalition zur NATO und winkt das europäische Rüstungsgroßprojekt FCAS inklusive neuer Atombomber für die Bundeswehr durch.

Große Herausforderungen für die Friedensbewegung sind neben kritischer Selbstreflektion, die Entwicklung wirkungsvoller Strategien, Kampagnen und Kooperationen – besonders mit der Friedensforschung. Kann sie als „militärkritischer und auf Abrüstung orientierter Partner“ [3] wieder stärker hinzugezogen werden? Wie kann die Bewegung die Arbeit der Friedensforschung für ihr Engagement nutzen?

Wichtig dabei ist falsche Vorstellungen und Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. So ist nicht allen in der Friedensbewegung die im Arbeitsauftrag der Friedens­akademie als Teil der Universität verankerte Überparteilichkeit und Unabhängigkeit der Forschung [4] bewusst.

Prof. Ekkehart Krippendorff, ein Pionier der Friedensforschung, konstatierte eben dieser ein Versagen im Hinblick auf Kriegskritik und Aufzeigen ziviler Alternativen. Die deutsche Friedensforschung habe keine alternativen außenpolitischen Handlungsstrategien anzubieten.[5] Prof. Andreas Buro formulierte es positiver: „Krieg ist nicht alternativlos! Dazu müssen auch die den Krieg legitimierenden Ideologien des ‚gerechten Krieges‘, der ‚humanitären Intervention‘ und des Militärs als ultima ratio deutlich und öffentlich kritisiert werden.“[6] Die Friedensforschung benötige Forscher*innen, die sich mit Zielen der Friedensbewegung identifizieren und auch einmal bereit sind Forschung im Sinne der Bewegung zu betreiben.[7]

Das Verhältnis von Bewegung und Forschung ist vielschichtig, es gibt weder ‚die Friedensforschung‘ noch ‚die Friedensbewegung‘ und damit kein bestimmtes Verhältnis. Im Gespräch mit anderen Friedensgruppen unterscheiden sich Erfahrungen und Erwartungen; Einigkeit besteht in der Ausbaufähigkeit der Beziehungen. Wichtig ist mir, dass der Dialog zwischen beiden vom gemeinsamen Interesse ausgeht, militärische Konflikte zu vermindern und letztlich zu verhindern, zivile Möglichkeiten zu stärken und als wirksame Alternative bekannter zu machen. Es gilt den Austausch trotz eigener Vorbehalte und Bequemlichkeiten zu verstärken – mit gegenseitigen Anregungen und trotz unvermeidlicher Distanz. Neben Politikberatung wäre Bewegungsberatung gut und, wo wissenschaftlich begründbar, eine klare Positionierung, ohne sich von Staat oder Zivilgesellschaft vereinnahmen zu lassen. Vielleicht wären Praktikumsmöglichkeiten in friedenspolitischen Organisationen und Vernetzungsforen zwischen Friedensbewegung und -forschung ein guter Schritt zu mehr Dialog? 

Der Text wurde für den Friedensblog der Friedensakademie geschrieben und erschien hier: https://www.friedensakademie-blog.eu/2022/02/03/die-arbeitsgemeinschaft-frieden-trier-friedensbewegung-und-friedensforschung-was-geht/

Über den Autor: Markus Pflüger ist Referent für Friedensarbeit der AGF Trier. Seit 2020 sitzt er im Beirat der Friedensakademie Rheinland-Pfalz, er hat Geographie (Diplom) und Soziologie in Saarbrücken, Québec und Metz studiert.