Vorausgegangen waren Wochen und Tage, um die erst die Ausreise aus Niger und dann wegen mehrerer positiver Corona-Tests im Lager Friedland, der Tag der Abholung immer wieder verschoben wurde.
Richtig ankommen müssen die drei aber noch eine ganze Zeitlang, stürmen doch so viele neue Eindrücke auf sie ein. Da sind diese 5 Personen, die sich mit der Einladung verpflichtet hatten, die jungen Leute in den ersten 2 Jahren zu begleiten und von denen fast täglich eine/r auftaucht um irgend etwas zu erledigen, oder einen Termin in den Kalender einzutragen. Und da sind im Haus auch die Vermieter, die sich genauso kümmern und täglich präsent und ansprechbar sind.
Warum brauchen diese Leute nur andauernd den Ordner mit unseren Dokumenten, den sie uns in die Wohnung gestellt haben? Was sollen wir alles unterschreiben, ohne zu verstehen, worum es überhaupt geht? Hat das alles seine Richtigkeit? Wohin sollen wir jetzt wieder mitgehen: zur Bank, zum Ausländeramt, zum Bürgeramt und immer wieder unterschreiben, unterschreiben, unterschreiben? Warum zeigen die Vermieter uns die überquellende Mülltonne, was sollen wir denn damit tun?
Alles Fragen, die sich unsere Gäste so oder ähnlich sicher schon gestellt haben.
Uns können sie nicht fragen, denn sie können kein Deutsch und wir natürlich auch nicht Tigrinya, eine Sprache, die in Teilen Eritreas und Äthiopiens gesprochen wird. Zum Glück gibt es eritreische Menschen in und um Trier, die bereit sind, per Telefon das Wichtigste zu übersetzen. Es gibt auch einige Wörter Englisch, mit denen wir die Verständigung versuchen, aber immer im Zweifel bleiben, ob wir uns gegenseitig richtig verstehen. So bleibt uns meist nur die Kommunikation mit Hand, Fuß und Herz – und werden oft mit einem Lächeln belohnt, wenn etwas offensichtlich verstanden wurde.
Nach nun 4 Wochen sind wir uns schon ein bisschen vertraut. Die Kleine, die gerade die ersten beiden Zähnchen gekriegt hat und in diesem Monat 1 Jahr alt wird, freut sich, wenn wir zu Besuch kommen und krabbelt munter auf dem Fußboden herum. Die Mama war am Anfang sehr scheu, hat uns kaum angesehen. Als sie das erste Mal richtig offen lächelte, war uns das eine frohe Rundmeldung in der Gruppe wert. Richtig Spaß hatte sie, als sie ihr Kleines auf dem Rücken durch den strömenden Regen trug, dabei sich und das Kind mit einem großen Regenschirm geschützt hat.
Auch wir stellen uns immer wieder Fragen, denn wir wissen bisher nur sehr wenig über unsere Gäste, so z.B. dass sie mit ungefähr 15/16 Jahren die Heimat verlassen haben. In einem libyschen Gefangenenlager haben die beiden sich kennengelernt. Von UNHCR wurden sie aus dem Lager befreit und nach Niger gebracht, wo ihre kleine Tochter zur Welt kam.
Als besonders schutzbedürftig wurden sie von UNHCR für das Resettlementprogramm NeST- ausgewählt und unserer Gruppe anvertraut. Über die Gründe für ihre Flucht und was sie alles erlebt haben mögen, darüber können wir nur Mutmaßungen anstellen. Wenn man sich informiert über die Zustände in Eritrea und in libyschen Haftlagern, ahnt man, dass es sicher gute Gründe gibt, diesen Menschen Schutz und eine neue Heimat zu bieten. Uns ist bewusst, dass es nur 3 Menschen sind, denen wir mit der finanziellen Unterstützung von Vielen zu einem sicheren Aufenthalt verhelfen konnten. 3 von mehreren Millionen Geflüchteter! Wir wissen, dass unsere Aktion nur ein Tropfen auf einem heißen Stein ist. Wir wissen auch, dass die Aufnahme von Geflüchteten nicht vom „good will“ einiger Privatpersonen abhängen darf.
Wir fordern verstärkte Anstrengungen unserer Regierung und aller europäischen Regierungen, das Elend der Heimat- und Obdachlosen an den Grenzen Europas und in Libyens Haftlagern durch großzügige Aufnahmen zu beenden.
Maria Kronenberg für die Gruppe NEST/Ak Asyl der AGF (Entspricht dem Artikel im AGF-Friedensbrief 2-2021)
Hintergrund: Eritrea
(www.earthlink.de/fluchtgrund) Fluchtgrund Obwohl in Eritrea kein Bürgerkrieg herrscht und es keine militärische Intervention von außen gab, versuchen jährlich Tausende das Land zu verlassen. Schuld daran ist das diktatorische Regime von Isayas Afewerki, dessen Diktatur oftmals mit der Nordkoreas verglichen wird und die als die schlimmste und repressivste in ganz Afrika gilt. 1) Insbesondere die lebenslange Wehrpflicht, die nur allzu oft mit Zwangsarbeit einhergeht, treibt vor allem junge Menschen in die Flucht. Aber die Regierung in Asmara macht sich weiterer Menschenrechtsverletzungen schuldig: Es kommt zu willkürlichen Verhaftungen von Regimegegnern, teilweise sogar zu außergerichtlichen Tötungen. Immer wieder verschwinden Menschen spurlos. Folter und Vergewaltigungen sind keine Seltenheit. 2) Die Meinungs- und Religionsfreiheit ist massiv eingeschränkt, es gibt keine unabhängige Presse. Selbst regimetreue Journalisten müssen die Handlanger Afewerkis fürchten. Seit 2001 gibt es nicht einmal mehr den Anschein bürgerrechtlicher Organisationen im Land. 3)
Fußnoten und Quellen: ↑1 The Guardian: The Guardian view on Eritrea: a regime of terror – Stand: 11.4.2016
↑2 The Guardian: Eritrea human rights abuses may be crimes against humanity, says UN –Stand: 11.4.2016
↑3 Human Rights Watch: Eritrea – Stand: 11.4.2016Wie ist die Lage in libyschen Flüchtlingslagern?
Etwa 5.700 Migranten werden laut Flüchtlingshilfswerk der UN (UNHCR) in staatlichen Haftlagern festgehalten, in denen es zu massiven Menschenrechtsverstößen kommt. Wasser und Essen sind oft knapp, viele Lager sind unter privater Kontrolle. Schon 2017 warnte ein Bericht der deutschen Botschaft vor katastrophalen Zustände in den Lagern. Der Titel des Papiers: „Rückkehr aus der Hölle“. Handyfotos und -videos belegen dem Bericht zufolge die „KZ-ähnlichen Verhältnisse“ in Privatgefängnissen im Süden Libyens. Hinrichtungen, Folter, Vergewaltigung und Erpressung sind an der Tagesordnung, so der Bericht: „Augenzeugen sprachen von exakt fünf Erschießungen wöchentlich in einem Gefängnis – mit Ankündigung und jeweils Freitags, um Raum für Neuankömmlinge zu schaffen.“ Wer innerhalb einer bestimmten Zeit nicht zahlen oder kein Geld von seiner Familie beschaffen kann, würde erschossen. Augenzeugen sprachen von exakt fünf Erschießungen wöchentlich in einem Gefängnis – mit Ankündigung und jeweils Freitags, um Raum für Neuankömmlinge zu schaffen, d.h. den menschlichen ‚Durchsatz‘ und damit den Profit der Betreiber zu erhöhen. Auswärtiges Amt, Bericht „Rückkehr aus der Hölle“ (2017)