Zwei Lebenswege aus Trier. Unter dieses Motto konnte man den Vortrag am vergangenen Donnerstag, 23.02.23, zusammenfassen. Im Weltladen der AGF referierten Privatdozent Dr. Thomas Schnitzler und Geschichtsstudentin Annika Müller über den NS-Verbrecher Klaus Barbie und die Gedenkstätte Izieu.
Das ehemalige jüdische Kinderheim im kleinen französischen Ort Izieu ist seit 1993 eine von drei nationalen Gedenkstätten Frankreichs für die Opfer antisemitischer Verfolgung. Izieu – das war auch die Einsatzstelle für den einjährigen Friedensdienst, den die Triererin Annika Müller (20) im letzten Jahr mit der Aktion Sühnezeichen e.V. leistete. Davon berichtete sie im Friedens- und Umweltzentrum der Arbeitsgemeinschaft Frieden e.V. (AGF). Annika nannte es eine „doppelte Geschichte“, die sie von Izieu erzählen konnte: Einerseits ein Heim, das in der Zeit der italienischen Besatzung eines Teils von Frankreich im Jahr 1943 Schutz für 105 meist jüdische Kinder bot. Organisiert wurde das von einem „Jüdischen Kinderhilfswerk“, das in ganz Frankreich aktiv war. Andererseits der Ort, an dem 44 Kinder und sieben Erzieher:innen am 6. April 1944 bei einer Razzia von Soldaten der deutschen Wehrmacht und Angehörigen der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) festgenommen und schließlich ins Vernichtungslager Auschwitz verschleppt wurden.
Veranlasst wurde die Deportation von Klaus Barbie, einem Mann, der wegen seiner grausamen Verhörmethoden als „Schlächter von Lyon“ bezeichnet wurde. Ihm galt der Vortragsteil von Privatdozent Dr. Thomas Schnitzler, der auch auf die Trierer Anfänge des nationalsozialistischen Massenmörders einging. Barbie, Jahrgang 1913, war Schüler des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums und des Bischöflichen Konvikts. Seit Ende 1933 galt er als überzeugter Nationalsozialist und wurde Adjutant des Ortsgruppenleiters der Partei, Karl Horrmann, in Trier-Mitte. Über ihn fand Barbie den Weg zum Sicherheitsdienst des Reichsführers der SS und Verwendung in Berlin, Düsseldorf, Dortmund, Amsterdam und Lyon. Nach dem Krieg wurde er Agent des US-amerikanischen Geheimdienstes CIC, des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) und lebte unter Pseudonym in Bolivien, wo er den dortigen Militärdiktatoren seine geheimdienstlichen Kenntnisse zur Verfügung stellte und Waffenschmuggel betrieb. Barbie wurde enttarnt, aus Bolivien entführt und nach Lyon verbracht, wo er im Juli 1987 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Einer der maßgeblichen Punkte der Anklage war die Deportation der Kinder von Izieu.
Während sich das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium anfangs sehr schwer tat, den Schüler Klaus Barbie als NS-Massenmörder zu identifizieren, nahm das Gedenken an die ermordeten Kinder von Izieu schon bald nach dem Krieg in Frankreich Gestalt an: 1946 kamen 3000 Menschen in das kleine Dorf, um der Kinder zu gedenken. Heute leistet dort eine neue Freiwillige aus Deutschland ihren Friedensdienst. Annika Müller, deren Freiwilligendienst auch durch eine Patenschaft des Arbeitskreises „Trier im Nationalsozialismus“ der AGF ermöglicht worden war, studiert inzwischen Geschichte. Sie möchte später wieder in einer Gedenkstätte arbeiten.
Der Vortrag „Klaus Barbie und die Kinder von Izieu“ wurde im Rahmen der Partnerschaft für Demokratie gefördert, die Teil des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist.
Thomas Zuche