01.12.2021 | Arbeitskreise & Projektgruppen

Bericht „Bewaffnete Drohnen, Atombomben und ein Koalitionsvertrag“

Unter diesem Titel fanden sich am 29.11.2021 über 100 Teilnehmer*innen (Parteimitglieder der Grünen, der SPD und der Linken sowie eine große Zahl von den verschiedenen Friedensorganisationen wie DFG-VK, IPPNW, ICAN, FifF, AGF-Ak Abrüsten …) in einer fast vierstündigen Videoschaltung zusammen. Anfangs gab es Informationen zu  „Bewaffnete Drohnen und Autonome Waffensystem“ sowie „Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) und Nukleare Teilhabe (‚Bücheler Atombomben‘)“. Dann Fragen und Diskussion.

Anlass der Veranstaltung waren Befürchtungen, die zukünftige Ampel-Koalition würde den Weg für die Bewaffnung von Drohnen freimachen und an der sogenannten „atomaren Teilhabe“, der Stationierung von US-Atombomben in Deutschland festhalten.
Die grüne Abrüstungsexpertin Katja Keul berichtete als einzige der angefragten Politiker*innen aus den Ampelkoalitions-Parteien von den Koalitionsverhandlungen und stellte sich der Diskussion. Sie stellte die Erfolge wie die Festschreibung des Beobachterstatus zum Atomwaffenverbotsvertrag in den Vordergrund, vor allem weil diesem Schritt andere NATO-Staaten folgen könnten. Die angestrebte Rüstungskontrolle sowie die Aussagen im Koalitionsvertrag, dass künftig keine Minderjährigen an der Waffe ausgebildet werden, dass Bundeswehr-Einsätze nur noch als „äußerstes Mittel“ und die Voraussetzung eines UN-Mandat für bewaffnete Einsätze sowie die Evaluierung sind weitere Punkte auf der Positivliste.
Der afghanische Journalist Emran Feroz gab ein Bild über die Drohneneinsätze in seiner Heimat. Als verheerend schilderte er dabei die Ungenauigkeit der Einsätze und dadurch die übergroße Anzahl der zivilen Opfer. Prof. Hans-Jörg Kreowski (Uni Bremen) beschrieb die Funktion und damit auch die Gefahren Autonomer Waffensysteme. Elsa Rassbach (Attac, DFG-VK, Drohnen-Kampagne, “Ban Killer Drones”, USA) beschrieb die bisherige deutsche „Drohnen-Debatte“ und betonte, dass selbst zum “Schutz” von Soldat*innen bei ausgewiesenen bewaffneten Konflikten der Einsatz von bewaffneten Drohnen als völkerrechtswidrig gelten könnte, weil das Waffensystem nicht gut zwischen Zivilisten und Kombattanten unterscheiden kann und nachträglich durch Softwareaustausch zu autonomen Waffen verwandelt werden könnten.
Im zweiten Teil stellt Prof. Karl Hans Bläsius (Cyberangriffe und Klimaveränderungen, Hochschule Trier) die sehr realistische Gefahr eines Atomkrieges aus Versehen dar, dem wir in der Vergangenheit bereits mehrfach nur knapp entgangen sind. Rechnet er die neuen Gefahren wie Cyberangriffe mit ein, steigt diese Gefahr aktuell noch einmal stark an. Florian Eblenkamp ( ICAN) beschrieb die Hintergründe zum Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) und den aktuellen Stand, während Xanthe Hall (IPPNW) die vergangene und aktuelle deutsche Atomwaffenpolitik auf den Punkt brachte.
Nach fachlichen Rückfragen gab es ausführlichen Raum für eine kontroverse Diskussion über den von den Ampelparteien vorgelegten Koalitionsvertrag. Positiv wurde von fast allen die Festschreibung das „Anstreben eines Beobachterstatus beim AVV“ gewertet als ein deutlicher erster Schritt „in die richtige Richtung“ zum deutschen Ausstieg aus der Nuklearen Teilhabe.
Die zu häufig unscharf-verwaschenen Aussagen wie „Bewaffnete Drohnen wollen wir verstärkt in internationale Kontrollregime einbeziehen“ oder die undifferenzierten 3% BIP, die in „internationales Handeln investiert“ werden sollen sehen die Diskutant*innen als wenig hilfreich für die kommende Regierungspolitik.
Vor allem das Thema Drohnen taucht in den Beiträgen immer wieder auf. Zudem wird die im Entwurf des Koalitionsvertrag vorgesehene Bewaffnung von Drohnen real eine Verschärfung der globalen technologischen Rüstungsspirale bedeuten.
Die Gefahren ziviler Verluste durch fehlenden Kontrollmöglichkeiten beim Einsatz von Kampfdrohnen werden als unvermeidbar angesehen. Jeglicher Einsatz außerhalb des reinen Kriegsgeschehens gilt als völkerrechtswidrig. Zudem wird diese Einsatzvariante als sehr unrealistisch eingestuft. Auch ist festzuhalten: Die Bundesrepublik ist bereits heute am völkerrechtswidrigen Drohnenkrieg der USA beteiligt.
Die zudem steigende Gefahr der Systeme durch Zunahme der Autonomie (noch müssen Soldaten in Tausenden Kilometer Entfernung „den Knopf“ zur Tötung drücken) wird als unverantwortlich eingestuft. Von grüner Seite wird kritisiert, dass selbst der äußerst knappe grüne Parteitagbeschluss überschritten wird: Die JuSos haben einen ablehnenden Beschluss zu den Formulierungen zu „Drohnen“ gefasst.
Kritisiert wird von vielen Teilnehmer*innen die Rhetorik gegen China und Russland. Ebenso heftig wenden sich etliche Beiträge gegen die Festschreibung der Beschaffung neuer Trägersystem als Tornado-Nachfolger, welche mit großer Wahrscheinlichkeit für den Atomwaffeneinsatz geeignet gekauft werden und somit die Nukleare Teilhaben für etliche Jahre festschreiben würden. Vor der Entscheidung über das Tornado- Nachfolge Flugzeug muss eine transparente Debatte über die Zukunft der nuklearen Teilhabe stattfinden.
Dass im Koalitionsvertrag ausdrücklich betont wird, dass „(wir) uns zur Aufrechterhaltung eines glaubwürdigen Abschreckungspotenzials … bekennen“, finden die darauf Bezug nehmenden Redner*innen beängstigend und weit ab früherer grüner oder SPD- Friedenspolitik. Überwiegend wurde dies als „Bekenntnis zur Erstschlag-Doktrin der NATO“ interpretierbar gewertet. Vermisst wurde dagegen, dass gerade nach den Problemen der NATO (Trump-Regierung, Afghanistan …) die Chance vergeben wurde, die Aufgaben und Ziele der NATO zukunftssicher auszurichten.
In der abschließende Runde ist das fast einhellige Fazit, dass die Vertreter*innen der beiden anwesenden Ampelparteien aufgefordert werden, in diesen wesentlichen Punkten eine deutliche Nachbesserung zu fordern und an den unklar formulierten Stellen für „friedliche“ Interpretationen zu kämpfen. Als Ziel wird genannt, die Einführung bewaffneter Drohnen oder gar autonomer Tötungssystem zu verhindern, möglichst schnell dem Atomverbotsvertrag beizutreten und somit die nukleare Teilhabe Deutschlands zu beenden. Der Moderator der Veranstaltung, Karl-W. Koch: „Nehmen wir diese Veranstaltung als Auftakt zur Vernetzung der kritischen Stimmen in unseren beiden Parteien mit unseren Unterstützer*innen in den Friedensinitiativen, um diese Ziele zu erreichen“.

Links dazu:  https://drohnen-kampagne.de/ (von da ist auch die Grafik oben) https://atomkrieg-aus-versehen.de

Text entspricht der PM der Unabhängigen Grüne Linken, Kontakt: kwkoch @ gmx.de – Die AGF Trier war Mitveranstalter