Am 31. Mai traten bei einer Kundgebung in Trier vor der Porta Nigra geschätzt 200 bis 300 Menschen für einen Waffenstillstand im Gazastreifen ein. Personen aus verschiedenen linken Gruppierungen hatten die Kundgebung vorbereitet. Fabrizio Barbi trug dabei eine von AGF-Vorstandssprecherin Brigitte Hansen-Barbi verfasste Rede vor, die wir hier dokumentieren:
„Wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit hat der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs Haftbefehle gegen den Premier- und den Verteidigungsminister Israels sowie drei Hamas-Führer beantragt. Für uns von der AG Frieden ist das eine gute Nachricht. Denn endlich werden einige der Hauptverantwortlichen für das angeklagt, was unschuldigen Opfern seit dem 7.10.23 angetan wird.
Diese fünf Männer haben viel gemeinsam. Dass sie alle für Kriegsverbrechen verantwortlich sind, ist nämlich kein Zufall. So wie es kein Zufall war, dass die Opfer des brutalen Massakers der Hamas, das den jetzigen Krieg auslöste, unschuldige Menschen waren. Menschen, die einfach nur friedlich feiern wollten. PazifistInnen, die in ihrem Kibbuz versuchten, gemeinsam mit ihren Nachbarn in Gaza zu beweisen, dass ein friedliches Miteinander möglich ist. Und Frauen. Sie wurden besonders brutal vergewaltigt und getötet. Dass die Opfer des Überfalls ungeschützt waren und dass die Geiseln nach wie vor nicht frei sind, ist ebenfalls kein Zufall. Denn auch Netanjahu und seinen ultranationalistischen und ultraorthodoxen Bündnispartnern sind die Opfer egal. Sie sind mit den Hamas-Terroristen vereint in ihrem Hass gegen Frauen und PazifistInnen. Und die vielen Frauen und Kinder, die im Gaza-Streifen getötet oder ausgehungert werden, sind nicht nur Netanjahu, sondern auch den Hamas-Führern herzlich egal. Das ist die zweite Gemeinsamkeit zwischen den fünf Angeklagten und ihren Unterstützern. Sie alle wollen, dass der Krieg weiter geht, sie wollen, dass es möglichst viele Opfer auch auf der eigenen Seite gibt, damit der Hass weiter geschürt wird und nie endet. Damit sie immer und immer wieder neue, vom Hass getriebene Kämpfer gewinnen, die bereit sind, für ihre Führer und ihr patriarchales System zu sterben und zu töten.
Leider wird dieses patriarchale System auch von Frauen gestützt, die sich als Feministinnen verstehen. Wenn sie beispielsweise die Verbrechen, die am 7.10. an Frauen verübt wurden, entweder negieren oder als Kollateralschaden im Kampf für die Befreiung Palästinas in Kauf nehmen. Solche Frauen sind keine Feministinnen. Denn sie teilen das patriarchale Denken der fünf Angeklagten. Sie stellen nicht die Menschenrechte in den Vordergrund, sondern halten sie für zweitrangig gegenüber etwas Übergeordnetem, ob das nun Israel oder Palästina heißt, ob das nun der jüdische Glaube ist oder der Islam. Echte FeministInnen und PazifistInnen können aber nie akzeptieren, dass irgendetwas dem Recht der einzelnen Menschen auf Leben vorgehen soll.
Und deswegen haben wir Hoffnung. Denn es gibt sie auf beiden Seiten, die wahren Heldinnen und Helden, die sich dem Hass und dem Kriegsdienst verweigern. Die sich für einen Waffenstillstand und für Versöhnung einsetzen, wie zum Beispiel die AktivistInnen von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen, in denen jüdische und arabische Israelis und PalästinenserInnen zusammenarbeiten. Besonders hervorzuheben sind hier aber die IranerInnen, die den Krieg der Mullahs mehrheitlich ablehnen und ihr Leben aufs Spiel setzen für „Frau, Freiheit, Leben“. Denn es sind genau die Mullahs, die die Hamas als ihr Instrument im Krieg gegen Israel rücksichtslos einsetzen.
Für uns hier in Trier, die wir nichts riskieren für unser Friedensengagement, sollten diese Menschen ein Ansporn sein, sich hier vor Ort für Versöhnung einzusetzen. Der erste Schritt dazu ist, uns den einfachen Konflikterklärungen von Freund-Feind und Gut-Böse zu verweigern. Nicht von „Israel“ oder „Palästina“ zu sprechen, sondern von den Menschen in dieser Region, die nur gemeinsam werden überleben können. Nicht über „die Juden“ oder „die Palästinenser“ zu sprechen, sondern mit ihnen. Kein „from the river to the sea“, sondern
From EVERY river to EVERY sea EVERYONE must be free!“
Durch die Kundgebung wurde AGF-Vorstandsmitglied Richard Pestemer, der mit der japanischen Gedichtform Haiku vertraut ist, zu diesem Haiku inspiriert:
Grenzenlos der Hass
Dem kaum widerstehen kann
Verzweifelt die Liebe
(Foto: Richard Pestemer)