24.09.2020 | Weltladen

Entwicklungspolitik „von unten“ ist der richtige Weg! (von Prof. Nebe)

Der Verein „Bildung fördert Entwicklung e.V.“ gibt Antworten!

Die in den letzten Jahren häufig tragisch endenden Seenotrettungs-Aktionen im Mittelmeer, haben mich tief bewegt, hier konkrete Hilfe zu leisten, jungen Menschen – insbesondere in den unsäglichen Slums von Nairobi – eine bessere (Aus-)Bildung zu geben, die sie dort nicht bekommen. Der Staat Kenia investiert nicht ausreichend in Bildung. Viele Menschen fliehen nicht nur aus Kenia, sondern aus vielen Ländern Afrikas nach Europa, weil sie sich hier Zukunftsperspektiven erhoffen.

 

Der Bildungshunger der kenianischen Jugendlichen ist unvorstellbar groß, wovon ich mich bei meinen insgesamt 19 Projektstudien in den Jahren von 2001 bis 2018 überzeugen konnte. Diese habe ich mit Studierenden der Universität Trier und kenianischen Studierenden in den Slums von Nairobi zu verschiedenen umwelt- und gesellschaftlichen Themen durchgeführt. Insbesondere während der Studie „Education in Non-formal Schools in Slums of Nairobi“ (2007) haben mich vor allem die wachen und lernhungrigen Augen junger Menschen  bewegt, die kaum eine Chance haben, sich später einmal ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben aufzubauen. Während Kinder und Jugendliche in den Slums  in überfüllten Klassen von meist unausgebildeten Lehrkräften und fehlendem Lehrmaterial vom Staat vernachlässigt werden, geniessen die Kinder wohlhabender Eliten alle Vorzüge gut ausgestatteter Privatschulen. Eine Universitätsbildung ist jenen vorbehalten, die die enormen Studiengebühren stemmen können.

Foto: Der Bleistift ist ein Symbol für Bildung

Gelernt haben wir schnell, dass eine finanzielle Unterstützung natürlich wichtig ist, aber erst zusammen mit einer menschlichen Zuwendung lässt Vertrauen entstehen, was wiederum die Voraussetzung ist, dass junge Persönlichkeiten heranreifen können. Bildung allein ist schon ein hohes Gut! Ich habe einmal die klugen Sätze von Eckart von Hirschhausen gelesen, wenn er feststellte, dass Bildung auch „Nahrung“ für den Geist ist und  für  viele der beste Ausstieg aus Armut, Ungerechtigkeit und Hunger ist. Dennoch braucht es staatliche Rahmenbedingungen, um diesen Bildungswert schöpferisch zu entfalten. Die in den meisten afrikanischen Ländern zu beklagende schlechte Regierungsführung, fehlende effektive Korruptionsbekämpfung, mangelnde Rechtsstaatlichkeit und eine beharrende Reformunwilligkeit in den verschiedensten gesellschaftspolitischen Bereichen wie Gesundheit und Bildung sind die Hauptursachen, warum sich die Situation in Afrika eher verschlimmert als verbessert hat.

Durch die gegenwärtige westliche Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit, die weitgehend bevormundend seit mehr als 60 Jahren ihre Arbeit macht, wird die soziale Spaltung der Gesellschaft in Afrika in „reich“ und „arm“ immer dramatischer. Die bereits enorm hohe Jugendarbeitslosigkeit erweist sich nhezu in allen afrikanischen Staaten zunehmend mehr als gefährlicher sozialpolitischer Sprengsatz, der explodiert, wenn sich die Verhältnisse nicht ändern. Afrikas Jugend hungert regelrecht nach Bildung und nach Arbeitsplätzen. Die westliche Entwicklungs­politik muss sich stärker am Subsidiaritätsprinzip, der „Hilfe zur Selbsthilfe“ nach Oswald von Nell-Breuning ausrichten. Das bedeutet, den Einzelnen nicht als Objekt zu behandeln, sondern ihn als Subjekt zu achten und ihn an der Lösung der Probleme aktiv beteiligen. Entwicklungshilfe, die die Leistungsfähigkeit und Kreativität der Afrikaner nicht ausschöpft und ihnen dies auch nicht zumutet, verletzt ihre Würde. Damit werden die Menschen entmündigt und in einem Abhängigkeitsverhältnis belassen, aus dem man sie eigentlich herausführen sollte. Insofern ist eine neue „Entwicklungs-Architektur“ dringend notwendig, diesem Prinzip Rechnung zu tragen. Dabei ist an die Eigenverantwortug afrikanischer Eliten stärker zu appellieren. Ihnen muss deutlich gemacht weden, dass sie nicht nur Privilegien haben, sondern vor allem auch Verantwortung.

Foto: Dem Unterricht wird trotz der Enge interessiert gefolgt,

Erfolgversprechende Entwicklungen müssen „von innen“ kommen. Hilfe „von außen“ kann nicht die generelle Lösung sein. Sie ist lediglich projektbezogen und zeitlich begrenzt zu geben. Der immer wieder vorgebrachte Lösungsvorschlag, die Flucht­ursachen mit mehr Entwicklungsgeldern zu bekämpfen, ist völlig falsch. Verschwiegen wird dabei, dass Entwicklungshilfe kaum Arbeitsplätze geschaffen hat, außer in der Entwicklunshilfe selbst. Dieses Festhalten an liebgewordenen Denkmustern hat vieles in Afrika in falsche Bahnen gelenkt. Seit Beginn der kontrovers geführten Flüchtlings­debatte 2015 haben Rettungsvorschläge für Afrika Hochkonjunktur. Mit verschiedenen “ Medizinverschreibungen“, wie die Fluchtursachen zu bekämpfen sind, so etwa mit einem Milliarden Dollar verschlingenden „Marshallplan MIT Afria“ oder der festgefahrenen Reform einer fairen Handelspolitik zwischen der EU und Afrika, ist Afrika nicht geholfen. Hilfe „von außen“  kann nicht die Lösung sein. Sie kann nur „von innen“ von zivil­gesellschaftlichen Initiativen kommen, die genau wissen, was von der Bevölkerung vor Ort gebraucht wird und mit ihnen zusammen umgesetzt werden kann. Korrupte afrikanische Länder haben es immer verstanden, die Hand aufzuhalten, ohne eigene Anstrengung und Verantwortung für ihre eigene Entwicklung zu übernehmen. Mit einer klugen, weitsichtigen und nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit mit afrikanischen Staaten wäre es möglich gewesen, die verschiedenen Fluchtursachen rechtzeitig zu erkennen und ihnen entgegen zu steuern. Bis heute ist kein kritischer Diskurs darüber geführt worden, ob nicht Fluchtursachen auch fluchtverursachende Gründe haben. Zu fragen wäre zu allererst: Welche Ursachen liegen bei uns vor und welche in Afrika? Festzuhalten ist, dass die Korruption in Afrika immer nur lautstark beklagt wird, aber dennoch Milliardenhilfen jedes Jahr an Entwicklungsgeldern gegeben werden. Auf diese Weise hat die deutsche Entwicklungspolitik die korrupten Staaten stabilisiert und sie nicht zu Reformen ermutigt. Sie ist damit entscheident für Entmündigung, Lähmung und Stillstand mit verantwortlich. Eigenverantwortung  und Invesitionsfreudigkeit sowie eine Reformfähigkeit der afrikanischen Staaten hätten vielmehr gefördert werden müssen.

Was kann nun ein kleiner gemeinnütziger Verein tun wie der unserige? Natürlich kann er nicht den „großen Entwurf“ liefern, aber er befindet sich auf einem guten Weg, hat viel Vertrauen sowohl in Deutschland als auch in Kenia gefunden und hat eine Reihe großartiger Spender überzeugt, unsere Arbeit finanziell zu unterstützen. Was uns am meisten erfreut und uns ermutigt, unsere „Politik der kleinen Schritte“ fortzusetzen, sind die Initiativen, die von unseren Schützlingen entwickelt worden sind. Da ist es die Initiative von John Wesonga, ein Student, den unser Verein gefördert hat, der die erste Bibliothek mit dem Namen „Glimmer of Hope“ überhaupt in einem Slum von Nairobi aufgebaut hat, die wir auch mit englisch-sprachigen Büchern und auch mit Geld unter­stützen. Zur Zeit findet in dieser Bibliothek ein mehrwöchiger Computerkurs statt. Gedacht ist weiterhin hier ein Kulturzentrum zu entwickeln, in dem unter anderem jähr­liche Lehrerfortbildungen stattfinden sowie Musikveranstaltungen und auch Seminare zur politischen Bildung. Die Slumbevölkerung erfährt dadurch eine bisher nicht gekannte Wertschätzung und macht die Erfahrung, dass vieles auch in eigener Regie geplant und durchgeführt werden kann. Diese Selbstermächtigung, etwas in eigener Regie mit hoher Kreativität zu planen und in die Realität umzusetzen, ist für sie ein ganz neues Lebens­gefühl, das ungeahnte Kräfte entfaltet. Einige unserer Schützlinge haben inzwischen ihr Studium beendet und einen guten Job gefunden, so zwei bei der Friedrich Ebert Stiftung in Nairobi.

Unser Verein ist sehr dankbar, dass OB Leibe und die Lokale Agenda 21 bereit sind, Studierende aus Kenia zu einem dreimonatigen Praktikum einzuladen und zu betreuen. Weiterhin sind wir bemüht, Kontakt zur Handwerkskammer aufzunehmen, um kenianische Studierende, die handwerklich sehr geschickt sind, für nichtuniversitäre Berufsperspektiven auszubilden.

Wer Interesse an den Zielsetzungen unseres Vereins hat, findet weitere Informationen auf der Website www.bildung-foerdert-entwicklung.de.

Hier finden Sie auch die gerade herausgegebene Boschüre „5 Jahre  Bildung fördert Entwicklung„. Hier kommen 25 kenianische Studierende mit ihren zum Teil sehr bewegenden Geschichten zu Wort. Wir würden uns sehr freuen, wenn dieser Bericht Interesse finden könnte.

Neue Mitglieder sind immer sehr willkommen, um mit eigenen Ideen unsere Arbeit zu bereichern.

Foto rechts:  Bücherübergabe von Mitglieders des Vereins im Februar 2020

Mit besten Grüßen Dr. Johannes Michael Nebe

Im Treff 24 54296 Trier
Telefon: +4965116239
Mobil: +491721820539
eMail: jm.nebe@gmx.de
www.bildung-foerdert-entwicklung.de